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Stephanie Fürderer

Persönlich-Interview mit Stephanie Fürderer im Fachmagazin r&c 4/2020

Stephanie Fürderer ist neu im Vorstand der Regionalgruppe Ostschweiz/FL. Im Interview erzählt die dipl. Expertin in Rechnungslegung und Controlling von ihren Bildungserfahrungen in der Schweiz und wie sie in der männerdominierten Geschäftswelt locker und entspannt ihre «Frau» steht.

Liebe Stephanie Fürderer, woher kommst du, wo bist du aufgewachsen?

Stephanie Fürderer: Ich stamme aus Deutschland und bin in Friedrichshafen aufgewachsen. Studiert habe ich Gastronomiemanagement mit Vertiefungsrichtung Controlling in Ravensburg. Nach meinem Abschluss bin ich nach Vorarlberg gegangen und hab dort im Hotelgewerbe gearbeitet. Doch dann stand für mich ein Wechseln in andere Wirtschaftsbereiche an.

 

Herbert Mattle: Warum?

Meine Leidenschaft galt schon als Kind den Zahlen. Mathematik war eines meiner Lieblingsfächer, und das hat mich verfolgt. Doch Controlling und Hotel hat nicht wirklich gut funktioniert.

 

Dabei hätten die es nötig, oder?

(Lacht) Ja, kann sein. Ich hätte in grossen Hotelbetrieben Mühe, denn diese Häuser haben sich ihre Leute selbst «gezogen». Ich habe meine Ausbildung mit Lehrbetrieb und Theorie an der Ravensburger Berufsakademie gemacht und im Rahmen dieser dualen Ausbildung in einem kleinen Familienbetrieb gearbeitet. Ich wollte auch nicht weg in die Stadt, denn ich bin kein Stadtmensch, eher ein Landei. So habe ich entschieden, die Hotellerie zu verlassen.

Hast du als kleines Mädchen davon geträumt, eine Prinzessin zu sein?

Oh nein, Prinzessin war ich nie, nicht mal an Fasching. Zu meiner ersten Saison hat mich meine Mutter in ein Marienkäfer-Kostüm gesteckt. So richtig herzig. Als Clown bin ich auch mal gegangen. Prinzessin wollte ich nie werden. Ich bevorzuge auch nicht Rosa oder Pink.

 

Hattest du einen Traumberuf?

Nein. Aber ich bin immer sehr gerne zur Schule gegangen und kam gut zurecht. Irgendwann stellte sich die Liebe zur Mathematik ein, und auch die Freude, mit Menschen umzugehen. Deshalb wählte ich wohl die Hotellerie-Ausbildung. Ich bin auch nicht schnurstracks aufs Abitur los, sondern habe erst die Realschule besucht. Danach besuchte ich das Wirtschaftsgymnasium, wo ich mit Betriebswirtschaftslehre und Rechnungswesen zutun hatte. Da habe ich wieder gemerkt: Das liegt mir!

 

Wann bist du in die Schweiz gekommen?

Vor ziemlich genau sechs Jahren. Ich habe in Vorarlberg gewohnt, aber schon in der Schweiz gearbeitet. Dann lernte ich meinen Partner kennen, und wir beschlossen, unsere Haushalte zusammenzulegen.

 

Und dann habt ihr euch Vögel angeschafft?

(Lacht) Die hab ich mitgebracht. Sie sind so wunderbar unabhängig und lustig zu beobachten. So wie Katzen, aber die brauchen ja jeden Tag auch ihre Zuwendung. Vögel sind keine Schmusetiere. Das brauche ich nicht.

 

Du schmust mit den Zahlen?

Ja, genau. (Lacht)

 

Siehst du in deinem Beruf als Controllerin Unterschiede zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz?

Schweizer stellen die Bilanz auf den Kopf.

 

Du meinst die Reihenfolge?

Ja, genau. Wenn man einem Deutschen etwas über das Warendrittel erzählt, würde der sich sicher fragen, was zum Teufel meint die? Aber das sind Details, und nichts, was unüberwindbar ist. Beim Controlling geht es immer um den Gesamtbetrieb und den Wertefluss, das ist überall so. Und Buchhaltung ist seit Jahrhunderten Soll und Haben.

 

Was hat dich dazu gebracht, die Weiterbildung zur eidg. dipl. Expertin in Rechnungslegung und Controlling zu machen?

Nach meinem BWL-Studium bin ich lange im Controlling tätig gewesen. Als ich in die Schweiz kam, wollte ich diese Materie grundlegend verstehen. Die Ausbildung zur diplomierten Controllerin geniesst einen sehr guten Ruf. In Stellenanzeigen war immer von eidgenössischen Experten die Rede. Dann habe ich festgestellt, dass das mir entspricht. Es ist kein Master, der über allem schwebt, sondern eine Ausbildung, die mir ein konkretes Instrumentarium an die Hand gibt.

 

Wie praxisnah war die Ausbildung? Wie würdest du sie beurteilen?

Sehr praxisnah. Aber es kommt drauf an, in welchem Bereich man tätig bist. Mit den derivativen Finanzinstrumenten bin ich heute noch nicht in Kontakt, weil das nicht meine Aufgabe ist. Aber alles, was mit Controlling zu tun hat, hat mich sehr nach vorne gebracht und schärft den Blick auf das gesamte Unternehmen.

 

Gibt es etwas, was du vermisst hast?

Nein. Natürlich hätte ich mir noch mehr Controlling gewünscht.

 

Also würdest du die Ausbildung wieder machen?

Eindeutig. Die Prüfung ist happig, die bräuchte ich nicht nochmal. Meine Mitarbeiterin hat letztens ihren Fachausweis gemacht. Alles, was ich ihr geraten habe, war: Behalte deine Nerven. Das ist das A und O. Es wird der Tag kommen, dann möchtest du alles hinschmeissen und du fragst dich: Wieso tust du dir das an? Aber im Endeffekt muss ich sagen: Es ist zu machen!

 

Du hat die Prüfung mit einer sehr guten Note bestanden, in der Fallstudie sogar die Note 6 erzielt – warst du überrascht?

Ja, aber dieser Fall hat mir gelegen. Bei der Vorbereitung hatte ich einen anderen Fall, und der ist voll in die Hose gegangen. Ich habe zum Glück keine Prüfungsangst und kann gut positiv und locker auf Herausforderungen zugehen. Zudem gebe ich nicht so schnell auf. Dabei hatte ich kurz vor der Prüfung ganz andere Sorgen, weil ein Teil des Unternehmens, in dem ich arbeitete, verkauft worden war und ich deshalb eine neue Funktion übernommen hatte. Das war für mich ein enormer Spagat.

 

Zeitgleich mit der Prüfung hast du den Job gewechselt?

Mein bisheriger Arbeitgeber ist Teil der Schaeffler-Gruppe gewesen, ein weltweiter Konzern. Dort war ich Controller für den Standort Schweiz. Die Niederlassung wurde verkauft und unter neuer Firmierung weitergeführt. Mein ehemaliger Chef war zu dem Zeitpunkt zwei Jahre vor der Pensionierung und erklärte, dass er jetzt nichts Neues mehr anfangen wolle. Ich bin dann im neuen Werk für die Finanzen verantwortlich gewesen. Wir hatten die Aufgabe, das Werk aus dem Unternehmen quasi auszuschneiden, und es separat aufzubauen – mit SAP-Systemwechsel. Das war für mich ein ziemlicher Zufall, dass diese Ereignisse – Prüfung und Unternehmenswechsel – zusammenfielen. Ein halbes Jahr zeitversetzt wäre sicherlich besser gewesen. Aber ich habe mir gesagt: Wenn die Chance jetzt da ist, musst du sie packen.

 

Um welchen Betrieb handelte es sich genau?

Das war ein metallverarbeitender Betrieb für die Automobil-Branche, die Hydrel AG in Romanshorn, die auf das Feinschneiden von Automobilteilen spezialisiert ist. Die Herausforderung war zum Beispiel das Wechseln vom einen zum anderen SAP-System. Da kommt man auf die Welt, was da alles anders ist. Ich fand es cool, dass die Hydrel AG kein Weltkonzern ist. In der Schaeffler-Welt hast du deinen Bereich, aber übergreifend zu arbeiten ist dort kaum möglich. Ich bin nicht so der Konzern-Mensch.

 

Was ist ein Konzern-Mensch?

Jemand, der seinen Teilbereich als Ganzes begreifen kann. Ich bin mehr die Generalistin. Wir hatten bei der Hydrel rund 150 Mitarbeitende, das ist eine schöne, überschaubare Grösse, ein schönes KMU. Man arbeitet mit allen zusammen, und kann nicht sagen: Das interessiert mich jetzt nicht.

 

Als Frau solch technische Produkte? Geht das?

Ich fand das spannend. Ich fahre Motorrad und Auto. Eine Prinzessin bin ich eben nicht. (Lacht) Anzupacken macht mir keine Mühe. Meine Schränke schraube ich ja auch selbst zusammen.

 

Was hat die Corona-Krise für deine Arbeit bedeutet?

Die Automobil-Branche ist sowieso sehr kurzfristig geworden, und Covid-19 hat da wie ein Brandbeschleuniger gewirkt. Planungssicherheit kann man vergessen, selbst Aufträge, die schon in den Büchern standen, sind nicht in Stein gemeisselt. Man kann nicht sicher sein, dass das dann auch so abläuft.

Seit Juni dieses Jahres arbeite ich bei der VC999 Verpackungssysteme AG in Herisau. Eine ganz andere Branche, weil ich die Automobil-Branche hinter mir lassen wollte. Covid-19 spielt momentan eine grosse Rolle, weil wir viele Service-Techniker haben, welche die Verpackungsmaschinen betreuen und Wartungen durchführen. Das fiel im ersten Lockdown flach. Zum einen, weil die Techniker keine Kundenbesuche mehr machen durften, zum anderen waren die Metzgereien, Restaurants und ähnliche Betriebe geschlossen. Die Schwankungen sind bei uns aber nicht so ausgeprägt wie im Automobil-Bereich. Lebensmittel verpacken wird vermutlich in diesen Zeiten noch eine grössere Bedeutung bekommen.

 

Wie gross ist das Unternehmen?

Weltweit rund 250 Mitarbeitende, am Hauptsitz der VC999 in Herisau sind es 70 Mitarbeitende, und in Kansas City, USA, mit 90 Angestellten werden die ganz grossen Maschinen gebaut. Dann gibt es uns an sechs weiteren Vertriebsstandorten: in Belgien, Deutschland, Kanada, Kolumbien, Mexico und Österreich. Das macht es für mich spannend, für alle weltweit den Hut aufzuhaben, nur in den USA haben sie einen eigenen Verantwortlichen für die Finanzen. Aber er berichtet ebenso an mich.

 

Was gehört zu deinem Aufgabengebiet im Wesentlichen?

Buchhaltung und Controlling, administrative Belange sowie das Reporting zur Unternehmensgruppe gehören zu meinen Aufgaben.  Wir machen es nach OR, in den USA dementsprechend nach US-GAAP, das übersetzen wir dann aber ins OR. Der konsolidierte Abschluss ist noch nicht offiziell revidiert. Die grosse Aufgabe ist, wie wir Mexico und Kolumbien – gemessen an unserer Qualität – auf die Schiene bringen.

 

Du bist jetzt in der Geschäftsleitung?

Ja, genau. Bei der Hydrel AG war ich die einzige Frau, jetzt bei der VC999 bin ich’s wieder. Dazu bin ich die Jüngste. Es ist speziell. Vielleicht liegt es an meinem Auftreten, denn ich weiss, was ich kann. Ich sag immer: Ich bin nicht auf der Brennsupp’ daher geschwommen. Das ist eine Redensart aus Österreich, die soviel heisst wie «Ich bin nicht auf den Kopf gefallen». In einer Produktionsfirma, besonders in KMU, arbeiten hauptsächlich Männer. Das ist nach wie vor so. Wenn ich aber weiss, dass ich etwas kann, dann mache ich das.

 

Jetzt bist du ja neues Vorstandsmitglied veb.ch-Regionalgruppe Ostschweiz/FL. Wie kamst du dazu?

Seit ich den Controller gemacht habe, bin ich Mitglied und schätze die Netzwerkveranstaltungen sehr. Ich lebe nach dem Motto: Wenn du die Welt kennenlernen willst, musst du rausgehen. Schon bald kam ich mit dem Präsidenten Thomas Cadusch ins Gespräch. Dann hatte ich mit Nadja Büsser-Dietrich aus dem Vorstand Kontakt. Mit ihr habe ich durch einen ähnlichen beruflichen Werdegang viele Anknüpfungspunkte. Und dann fiel mir auf, dass es vornehmlich Kollegen aus der älteren Generation gibt. Das fand ich schade. Warum bin ich eigentlich immer die Jüngste, fragte ich mich. Mit Thomas Cadusch ist ein Ruck durch die Regionalgruppe gegangen.

 

Er hat dich als neues Vorstandsmitglied vorgeschlagen?

Ich habe mich selbst vorgeschlagen. (Lacht) Es war ja so, dass Erich Schindler leider überraschend verstorben ist. Da habe ich meine Unterstützung angeboten. Nadja Büsser hätte mich aber auch vorgeschlagen, erzählte sie mir später. Das fand ich so lieb. Wir sind jetzt drei Frauen und drei Männer. Das finde ich super. Wir arbeiten hervorragend zusammen.

 

Was sind deine Aufgaben im Vorstand?

Die Betreuung der Website habe ich übernommen. Insgesamt möchte ich frischen Wind liefern und zum Beispiel den Papierkrieg mehr digitalisieren. Wenn ich meinen Laptop mitbringe, habe ich alles dabei. Meine Kollegen haben teilweise immer noch Papierstapel bei sich. Auch die Cloudlösung möchte ich für die Regionalgruppe etablieren.

 

Was möchtest du in deiner Regionalgruppe bewirken?

veb.ch in meiner Generation in den Fokus zu rücken. Immerhin hat sich meine Mitarbeiterin jetzt auch schon angemeldet, nachdem sie den Fachausweis gemacht hat. Auch einen ehemaligen Kollegen von der Hydrel AG habe ich schon angespitzt. Die Netzwerkveranstaltungen sind unheimlich wertvoll, das sollten viel mehr Kollegen nutzen.

 

Welche Vorteile siehst du im Netzwerk?

Es ist wichtig für das berufliche Fortkommen, mit Menschen aus der Branche in Kontakt zu treten. Viele Stellen werden ja über Vitamin B vergeben. Wenn man in der heutigen Zeit erfolgreich sein will, muss man über seinen eigenen Schatten springen und auf die Menschen zugehen. Ich wäre nicht da, wo ich bin, wenn ich mich versteckt hätte. Sich mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Firmen austauschen, ist grossartig, um sich neue Impulse zu holen.

Interview: Herbert Mattle, Bettina Kriegel