«Es ist ein Abschluss, auf den man sehr gut aufbauen kann und der fachlich Sicherheit gibt»

Kerstin Blanc, Chur

Die Story von Kerstin Blanc

Der erste Anlauf zur Fachfrau im Finanz- und Rechnungswesen misslang Kerstin Blanc. Nicht so der zweite, wie sich ein Jahr später herausstellen sollte. Die Fachausweis-Inhaberin ist mittlerweile Buchhalterin bei der Vermögensverwaltung Kaiser Partner in Vaduz.

Nein, lustig ist das Warten auf Prüfungsresultate in der Regel nicht. In dieser Zeit verheisst ein Abholzettel für einen eingeschriebenen Brief nichts Gutes. Kerstin Blanc musste einen solchen entgegennehmen. Nicht ganz unerwartet, wie sie meint, denn das Gefühl während der schriftlichen Berufsprüfung zur Fachfrau im Finanz- und Rechnungswesen sei nicht immer das Beste gewesen. Nach einem kurzen Moment des Schocks war aber klar, dass sie einen zweiten Anlauf starten würde. Mit Erfolg! Eine erleichterte, glückliche und zurecht ein wenig stolze Berufsfrau mit eidgenössischem Fachausweis blickt auf zwei höchst unterschiedliche Prüfungserlebnisse und ihre Learnings daraus zurück.
 

Kerstin Blanc, wie war das Warten auf die ersten Prüfungsergebnisse?

Ich hatte ein mulmiges Gefühl, als ich von den ersten Kolleginnen und Kollegen hörte, dass sie bestanden hatten. Bei mir fehlte eine solche Nachricht noch. Der Blick in den Briefkasten bestätigte dann leider das ungute Gefühl. Zuerst war ich noch ziemlich gefasst, aber irgendwann hat es mich «erwischt». Es war hart.

Waren Sie überrascht, die Prüfungen im ersten Anlauf nicht bestanden zu haben?

Eine grosse Überraschung war das negative Prüfungsergebnis nicht.Ich habe mich da und dort auf dem linken Fuss erwischen lassen. Die Prüfungsaufgaben waren nicht so, wie ich sie erwartet hatte. Wir Menschen sind ja Gewohnheitstiere – und ich hatte mich stark an den Prüfungen und deren Struktur aus den Vorjahren orientiert. Nun gab es aber einen ungewohnten Fokus vor allem auf Mehrwertssteuer und Steuern. Das hat mich blockiert. Ich konnte damit nicht umgehen, obwohl es um vertrauten Stoff ging, den ich eigentlich intus hatte.
 

Welche Lehren haben Sie daraus gezogen?

Erkenntnisse bezüglich Zeitmanagement und das Wissen, bei jeder Aufgabe etwas hinzuschreiben, auch wenn möglicherweise nicht ganz klar ist, was gefragt ist. Es geht ja darum, dass die Prüfungsexpertinnen und -experten etwas vorfinden, für das sie Punkte vergeben können. Auch wenn es nicht überall die volle Punktzahl sein sollte, sind es immerhin Punkte, die helfen, um zu bestehen. Denn wo nichts steht, können auch keine Punkte verteilt werden. (Lacht) Heute kann ich zudem sagen, dass die Art der Fragen und die Schwerpunkte einer Prüfung egal sein sollten. Entweder man hat gelernt oder nicht. Wenn man sich mit der Materie in der Schule, beim Lernen sowie im beruflichen Alltag auseinandergesetzt hat und gut vorbereitet ist, spielt die Prüfungsform keine grosse Rolle. Nur weil etwas ungewohnt daherkommt, bedeutet das nicht, dass man gleich aufgeben sollte.
 

Wie haben Sie den richtigen «Mindset» für den zweiten Prüfungsversuch hinbekommen?

Zunächst habe ich gezweifelt und mich auch gefragt, was denn wäre, wenn es auch im zweiten Anlauf nicht klappen sollte. Irgendwann sagte ich mir: Egal, was kommt, ich gehe da nochmals durch. Es war mir möglich, Prüfungserfolg und Selbstwertgefühl zu trennen und mir damit auch den Druck zu nehmen. Es hätte ja auch noch andere Wege gegeben, um beruflich weiterzukommen. Der Ehrgeiz, die Prüfung zu schaffen, der ist natürlich trotzdem geblieben … (Lacht) Aber die enorme Verbissenheit war weg.
 

Hat sich an Ihrer Lernstrategie etwas geändert?

Ja, sehr viel. Ich habe mir eine bessere Strategie beim Lernen angeeignet. Genauer gesagt habe ich mich fast jeden Tag hingesetzt und etwas duchgearbeitet, auch wenn es nur eine halbe oder ganze Stunde war. Beim ersten Durchlauf habe ich erst ein paar Monate vor der Prüfung begonnen. Das war für mich, wie sich herausstellen sollte, nicht so vorteilhaft für diese Prüfung. Zudem habe ich mich beim zweiten Anlauf dazu entschlossen, den Repetitionskurs der Controller Akademie in Zürich zu besuchen. Diesen Kurs kann ich allen nur empfehlen – auch solchen, die zum ersten Mal an so eine Prüfung gehen.
 

Hatte die Zusatzschlaufe bis zum Fachausweis letztlich sogar eine gute Seite?

Definitiv. Diese Erfahrung war Gold wert. Ich durfte meinen Rucksack mit mehr Erfahrung, weiterem Wissen und vor allem vertiefterem Wissen füllen, da ich auch ein Jahr mehr Berufserfahrung sammeln konnte. Zudem nehme ich gewisse Dinge heute lockerer – und auch mit mir selber gehe ich gelassener um.
 

Wie schätzen Sie den Wert Ihres Berufsabschlusses ein?

Es ist ein Abschluss, auf den man sehr gut aufbauen kann und der fachlich Sicherheit gibt. Ich merke die Veränderung im Berufsalltag. Wo ich früher eher mal einen Vorgesetzten um Rat gefragt hätte, kann ich heute sagen: Ich weiss das. Es fällt viel leichter, eigene Entscheidungen zu treffen. Aber ausgelernt hat man natürlich nie.
 

War Ihnen von Anfang an klar, dass Sie auf die duale Bildung setzen werden?

Mein Weg zum Fachausweis begann ein Jahr nach der Lehre. Ich habe die Grundbildung in der öffentlichen Verwaltung absolviert, wo ich in unterschiedliche Bereiche hineinschauen konnte. Steuern und Buchhaltung haben mir damals am besten gefallen. Nach dem Wechsel zu einer anderen Gemeinde begann ich die Ausbildung zur Sachbearbeiterin Rechnungswesen edupool. Dies mit dem Ziel vor Augen, bald einmal in einem Treuhandbüro arbeiten zu können – das war schon immer mein Traum. Die Sachbearbeiter-Ausbildung liess sich direkt mit der Vorbereitung auf die eidgenössische Berufsprüfung kombinieren. Ich bin quasi in den Fachausweis hineingerutscht, ohne erst noch auf mehr Berufserfahrung zu setzen.
 

Was macht die Treuhandbranche zu einem beruflichen Traum?

Mir gefällt die Vielfalt in einem Treuhandbüro. Man deckt alles ab: vom Personal bis Steuern über Mehrwertsteuer, Buchhaltung, Jahres- und Zwischenabschlüsse, Revisionen und vieles mehr. Diese Abwechslung wollte ich. Während der Vorbereitung auf die zweite Berufsprüfung entdeckte ich ein Interesse an Konzernen. Jetzt bin ich bei Kaiser Partner in Vaduz beschäftigt, die als Konzern strukturiert sind und jemanden mit breiter Themenkenntnis gesucht haben. Die früheren Kundenkontakte sind durch tiefe interne Einblicke abgelöst worden, nämlich durch analytische Aufgaben, Risikobeurteilungen, Datenmanagement etc. Es ist spannend zu sehen, wie viel man aus verschiedenen Programmen, Daten und der Verknüpfung von Schnittstellen herausholen kann.
 

Das klingt nach einer folgenden Controller-Ausbildung mit der eidgenössichen Fachprüfung als nächstem Bildungsschritt?

Das habe ich mir auch schon überlegt. Es könnte durchaus sein, dass es irgendwann in Richtung Expertin in Rechnungslegung und Controlling oder in Richtung Treuhand-Expertin geht. Aber dafür lasse ich mir noch Zeit.
 

Kerstin Blanc, herzlichen Dank für das Gespräch!