«Unsere Qualifikation braucht es überall, in verschiedensten Branchen von Schreinerei bis Spital, von Unternehmen bis zur öffentlichen Verwaltung.» 

Alexandra Herzog, Rickenbach (TG)

Mit Note 6,0 zum Fachausweis

Ein beeindruckender Meilenstein ist es, den sich Alexandra Herzog in ihr Curriculum gesetzt hat. Die 24-Jährige veredelte ihre Berufsprüfung zur Fachfrau im Finanz- und Rechnungswesen durch einen Notenschnitt von 6,0. Dies in einem Jahr, in dem das Corona-Virus auch ihre Prüfungsvorbereitung durcheinanderwirbelte.

 

Lommis ist eine kleine Ortschaft im Kanton Thurgau mit rund 1200 Einwohnerinnen und Einwohnern. Hier auf der Gemeindeverwaltung schloss Alexandra Herzog vor fünf Jahren ihre kaufmännische Lehre mit Berufsmatur ab. Unmittelbar danach übernahm sie die Leitung der Finanzverwaltung, da ihr Vorgänger in Frühpension ging. Eine verantwortungsvolle Aufgabe, aber keine tagesfüllende, weshalb sie auch Funktionen in der Bauverwaltung und Stellvertreterfunktionen in anderen Abteilungen ausübt.

 

Nach zwei verwaltungsspezifischen Weiterbildungen und einer grösseren Umstellung in der Gemeinde auf ein neues Rechnungslegungsmodell war die Zeit für einen nächsten, berufsbegleitenden Bildungsschritt und eine Spezialisierung auf das Finanz- und Rechnungswesen reif. Wir haben Alexandra Herzog per Zoom zu ihrem Prüfungserfolg beglückwünschen und mehr von ihr erfahren können.

 

Herzliche Gratulation zum neuen Berufstitel und zu Ihrem tollen Abschluss, Frau Herzog! Wie haben Sie vom Prüfungsresultat erfahren?

Das Notenblatt wurde uns per Post zugeschickt. Als ich das Couvert aufmachte, dachte ich zuerst an einen Fehler. Aber der Name war korrekt ... und ich war mega erleichtert, dass diese intensive Zeit nun vorbei ist und die Prüfungen geschafft sind. Um das Ergebnis zu realisieren, brauchte ich dann allerdings mehr als nur ein paar Tage.

Sie sprechen von einer intensiven Zeit, sicher auch wegen der Corona-Pandemie. Sie waren ja prüfungsreif, als die Absage der Prüfungen erfolgte. Wie liess sich das «verdauen»?

Der Frust war gross. Eine lange Vorbereitung, fast schon das Kribbeln vor der Prüfung, und dann erst einmal nichts bzw. die Unsicherheit, wie es weitergeht. Die Absage erfolgte im März, ohne dass bereits ein Ersatzdatum bekannt gegeben wurde. Ich habe mir bald die Frage gestellt, ob ich im gleichen Pensum weiterlernen soll. Das hätte ich aber nicht durchgehalten, also legte ich eine zweimonatige Pause ein. Erst im Frühsommer habe ich mit der Vorbereitung wieder angefangen.

Wie ist ein solches Prüfungsergebnis trotz erschwerter Bedingungen möglich?

Darauf habe ich nicht wirklich eine Antwort. Vielleicht war das doppelte Lernen ja sogar ein Vorteil – es fühlte sich aber nicht so an. Sicher, ich war gut vorbereitet und habe damit gerechnet, gut zu bestehen. Meine eigene Messlatte lag bei einer 5,0. Das oder auch mehr wollte ich erreichen. Grundsätzlich fällt mir das Lernen leicht, was den Aufwand in Grenzen hält. Einiges muss man halt einfach auswendig lernen. Anderes lässt sich immer wieder auf neue Fälle anwenden, wenn man das Prinzip verstanden hat. 

 

Welche Motivation steckt hinter der Weiterbildung?

Zum einen lerne ich gerne Neues, zum anderen bin ich auf der Suche nach einem neuen Job, das ist hier intern auch bekannt. In der Gemeinde möchte ich auf Teilzeit reduzieren und mich auf das Finanzwesen konzentrieren, um in Ergänzung dazu in die Privatwirtschaft einsteigen zu können. Über eine entsprechende berufliche Erfahrung verfüge ich zwar noch nicht, wollte aber die fachlichen Voraussetzungen schaffen. Deshalb war es mir wichtig, meinen Horizont zu erweitern und den Marktwert zu erhöhen.

 

Hatte Ihr Prüfungserfolg eine direkte Auswirkung auf Ihre Funktion und Ihren Stellenwert in der Gemeinde?

In der Funktion nicht, im Lohn hingegen schon. Ansonsten erhielt ich viel Anerkennung im Sinne von Bestätigung. Man hat mir zugetraut, dass ich das schaffe, und war deshalb nicht besonders überrascht. Es war auch bisher schon so, dass meine Meinung respektiert wird, obwohl ich noch sehr jung bin. Das bedeutet mir viel.

 

Woran lässt sich das festmachen, wie sieht für Sie Erfolg im Berufsalltag aus?

Wenn ich die Gemeinderäte von Lommis so beraten kann, wie sie sich das wünschen. Wenn wir an einer Sitzung zu Ergebnissen kommen, hinter die sich alle stellen können. Wenn ich Vorgänge und Mechanismen erkläre, in meiner fachlichen Meinung unterstützt werde und die Rückmeldung erhalte, dass Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit in der Argumentation gegeben sind. Solche Feedbacks sind schöne Momente im Berufsalltag.

 

Die Pandemie hatte deutliche Auswirkungen auf Ihre Prüfungen. Tangiert sie auch Ihre Arbeit?

Meine Arbeit in der Finanzverwaltung ist davon kaum berührt. Wir verzeichnen einen Anstieg bei der Sozialhilfe und müssen einige Anpassungen bei den Steuern vornehmen. Das betrifft mich teilweise. Die finanziellen Auswirkungen für die Gemeinde werden aber erst mit Verzögerung eintreten, das wird in den nächsten Jahren spürbar sein. Es dürfte herausfordernd sein, in diesem Umfeld zu budgetieren und einen verlässlichen Finanzplan zu erstellen.

 

Ziehen Sie aus Ihrer Fachkompetenz auch einen privaten Nutzen?

Jedenfalls bin ich in meinem Freundeskreis Ansprechpartnerin Nummer eins für finanztechnische, steuerrechtliche oder arbeitsrechtliche Fragen. (Lacht) Die eine oder andere Steuererklärung aus meiner Familie landet gerne bei mir, auch Budgetplanungen oder Fragen zur Finanzierung eines Hauses.

 

Wo sehen Sie die Qualitäten Ihres Berufsfelds?

Unsere Qualifikation braucht es überall, in verschiedensten Branchen von Schreinerei bis Spital, von Unternehmen bis zur öffentlichen Verwaltung. Um die Finanzen muss sich immer jemand kümmern – es gibt Arbeiten und Entscheide, die auch in Zukunft von Menschen gemacht oder gefällt werden müssen. Trotz Digitalisierung. Daraus ergibt sich eine Vielfalt in der Stellenwahl, aber auch eine Zukunftssicherheit für den Beruf. Und das mit einem bekannten und anerkannten Titel als Background. 

 

Wie sieht es im Übrigen mit weiteren Weiterbildungsplänen aus?

Eine kurze Pause tut gut. Aktuell gilt mein Fokus der beruflichen Veränderung. In ein, zwei Jahren dürfte das aber wieder anders aussehen. Ich gehe davon aus, dass ich dann eine nächste Weiterbildung starten werde.

 

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Interview: Marion Tarrach

Alexandra Herzog

Auf der Gemeindeverwaltung Lommis (TG) schloss Alexandra Herzog vor fünf Jahren ihre kaufmännische Lehre mit Berufsmatur ab. Unmittelbar danach übernahm sie die Leitung der Finanzverwaltung, da ihr Vorgänger in Frühpension ging. Eine verantwortungsvolle Aufgabe, aber keine tagesfüllende, weshalb sie auch Funktionen in der Bauverwaltung und Stellvertreterfunktionen in anderen Abteilungen ausübt. Mit ihrem Berufstitel ist Alexandra Herzog offen für eine neue Herausforderung.